Theoretischer Hintergrund: "Auf die Passung kommt es an"


"Auf die Passung kommt es an" damit Personen beginnen, körperlich aktiv zu werden und insbesondere auch längerfristig aktiv bleiben - was heisst das konkret? Nachfolgend wird in einem ersten Schritt erklärt, was mit der Passung von Person und Sport gemeint ist. In einem zweiten Schritt wird beschrieben, wie individuelle Voraussetzungen zur Herstellung dieser Passung gemessen werden können. In einem letzten Abschnitt werden drei Möglichkeiten vorgestellt, wie eine Passung mit Bewegungs- und Sportaktivitäten hergestellt werden kann.


Die heutige Vielfalt sportlicher Angebote spiegelt die ebenso vielfältigen individuellen Voraussetzungen wider, die Menschen zum Sporttreiben mitbringen. Unter der Passung Person-Sportaktivität wird verstanden, dass ein Sportangebot optimal zu den individuellen Voraussetzungen einer Person passt.

Beim Blick auf die Personenseite wird ersichtlich, dass Personen unterschiedliche körperlich-motorische Handlungsvoraussetzungen haben und sich in ihren gemachten Erfahrungen mit sportlichen Aktivitäten unterscheiden. Dementsprechend vielfältig sind die Erwartungen und Motive, die sie an das Sporttreiben mitbringen.

Auf Seite des Sports unterscheiden sich die vielfältigen Aktivitäten und Angebote in ihrer Belastungsgestaltung und ihren psychologischen Charakteristika. Eine sportliche Situation oder Aktivität kann per se bestimmte Anreize enthalten und sie kann unterschiedlich inszeniert werden. Die Anreize entsprechen inhaltlich den sportbezogenen Motiven und Zielen, z. B. Ästhetik oder Kontakt. Je nach Übereinstimmung der Anreize einer sportlichen Aktivität, z. B. Jogging-Treff, mit den Motiven und Zielen einer Person, z. B. Sport mit Freunden machen, können bestimmte Motive eher befriedigt und bestimmte Ziele eher erreicht werden. Durch eine Zielerreichung und Motivbefriedigung wird das Wohlbefinden während der Aktivität gestärkt. Dies trägt dazu bei, dass Personen längerfristig besser fähig sind, ihr Sportverhalten aufrechtzuerhalten. Zusätzlich werden positive Erfahrungen wie das Kompetenzerleben gefördert, wenn die individuellen Voraussetzungen auf Seiten der Person zu den Anforderungen auf der Sportseite passen.

Bislang lag der Fokus vor allem auf der Messung und Berücksichtigung von körperlich-motorischen Merkmalen, z. B. der Ausdauerfähigkeit einer Person und einer entsprechenden Anpassung der Intensität. Zunehmend zeigt sich jedoch, dass der Einbezug körperlich-motorischer Voraussetzungen nicht ausreichend ist, damit Personen längerfristig körperlich aktiv bleiben. Daher rücken vermehrt psychologische Merkmale, wie sportbezogene Motive und Ziele, in den Blick. Nicht nur zwischen Personen in unterschiedlichen Lebensabschnitten zeigen sich diese Unterschiede, sondern auch zwischen Gleichaltrigen. So ist es für die Eine primär der gesundheitliche Nutzen, für den Anderen die Ablenkung vom Alltag, der sie zum Sporttreiben bewegt.

Sportbezogene Motive und Ziele über die Lebensspanne

Damit diese Motive und Ziele gemessen werden können, wurden im Rahmen mehrerer Projekte insgesamt drei Fragebögen für drei unterschiedliche Altersgruppen entwickelt und validiert:

Insgesamt werden folgende acht sportbezogene Motive und Ziele im Jugend- und frühen Erwachsenenalter unterschieden:

  • Kontakt (durch und im Sport, z. B. neue Menschen kennenlernen und/oder Freunde treffen)
  • Wettkampf/Leistung (z. B. seine eigene Leistung verbessern oder sich mit anderen Personen messen)
  • Ablenkung/Katharsis (Erholung indem negative Emotionen, z. B. Stress sowie Ärger, durch Sport reduziert werden)
  • Ästhetik (Freude an schönen harmonischen Bewegungen, z. B. eine Laufbewegung, eine gelingende Bewegungsabfolge im Tanz oder ein geglückter Aufschlag im Tennis)
  • Figur/Aussehen (z. B. das Körpergewicht zu reduzieren oder seine physische Erscheinungsform zu verbessern).
  • Fitness (z. B. seine körperliche Verfassung zu fördern)
  • Gesundheit (z. B. Krankheitsrisiken zu minimieren)
  • Risiko/Herausforderung (z. B. um etwas zu wagen oder seinen Mut zu testen)

Insgesamt werden folgende sieben sportbezogene Motive und Ziele im mittleren Erwachsenenalter unterschieden:

  • Kontakt (durch und im Sport, z. B. neue Menschen kennenlernen und/oder Freunde treffen)
  • Wettkampf/Leistung (z. B. seine eigene Leistung verbessern oder sich mit anderen Personen messen)
  • Ablenkung/Katharsis (Erholung indem negative Emotionen, z. B. Stress sowie Ärger, durch Sport reduziert werden)
  • Ästhetik (Freude an schönen harmonischen Bewegungen, z. B. eine Laufbewegung, eine gelingende Bewegungsabfolge im Tanz oder ein geglückter Aufschlag im Tennis)
  • Figur/Aussehen (z. B. das Körpergewicht zu reduzieren oder seine physische Erscheinungsform zu verbessern)
  • Aktivierung/Freude (Erholung indem positive Emotionen, z. B. energiegeladen sein oder Freude durch Sport, verstärkt werden)
  • Fitness/Gesundheit (z. B. seine körperliche Verfassung zu fördern oder Krankheitsrisiken zu minimieren)

Die Motivdimension Aktivierung / Freude zeigte sich in neueren Validierungsstudien etwas instabiler. In aktuellen Studien wird deshalb das adaptierte BMZI ohne diese Motivdimension eingesetzt. Bei der adaptierten BMZI-Version ist zudem die ursprünglich gemeinsame Dimension Fitness/Gesundheit in zwei separate Dimensionen getrennt worden.

  • Fitness (z. B. seine körperliche Verfassung zu fördern)
  • Gesundheit (z. B. Krankheitsrisiken zu minimieren)

Insgesamt werden folgende sieben sportbezogene Motive und Ziele im höheren Erwachsenenalter unterschieden:

  • Kontakt (z. B. durch den Sport neue Freunde zu gewinnen oder um mit anderen gesellig zusammen zu sein)
  • Wettkampf/Leistung (z. B. um mich mit anderen zu messen oder um sportliche Ziele zu erreichen)
  • Figur/Aussehen (z. B. wegen der Figur oder um sein Gewicht zu regulieren)
  • Stimmungsregulation (z. B. um etwas gegen meine Energielosigkeit zu tun oder um Stress abzubauen)
  • Kognitive Funktionsfähigkeit (z. B. um geistig fit zu bleiben oder um die Denkfähigkeit zu erhalten)
  • Alltagskompetenz/Gesundheit (z. B. um im Alltag körperlich mobil zu bleiben oder um körperlichen Beschwerden entgegenzuwirken)
  • Positive Bewegungserfahrungen (z. B. weil Sport mir die Möglichkeit für schöne Bewegungen bietet oder vor allem aus Freude an der Bewegung)

Oft nennen Personen nicht nur einen Grund, sondern verschiedene Gründe, die sie gleichzeitig zum Sporttreiben motivieren. Jede Person weist eine spezifische Ausprägung der unterschiedlichen Beweggründe auf – hat also ein einzigartiges Motivprofil. Obwohl individuelle Motiv- und Zielprofile bestehen, können Menschen anhand ähnlicher Motivausprägungen zu homogeneren Subgruppen, sogenannten motivbasierten Sporttypen, kategorisiert werden. Im mittleren Erwachsenenalter konnten neun solche motivbasierte Sporttypen gefunden werden (vgl. Abbildung). Die Sporttypen können dabei anhand ihrer Sportaktivitäten – von traditionellem (Wettkampf-)Sport zu Gesundheitssport – sowie anhand ihrer Motivation – von intrinsisch zu extrinsisch motiviert – eingeordnet werden. Menschen, die eher intrinsisch motiviert sind, verfolgen eine Sportaktivität um ihrer selbst willen (z. B. weil sie Freude an der Aktivität selbst haben und Sport ein wichtiger Teil ihres Lebens ist). Menschen, die eher extrinsisch motiviert sind, üben eine Aktivität eher aus externen Gründen aus (z. B. weil der Arzt sie aufgefordert hat, etwas für ihre Gesundheit zu tun oder weil sie Anerkennung von anderen Personen erhalten möchten).

Motivbasierte Sporttypen im mittleren Erwachsenenalter: Einordnung anhand der Motivation zum Sporttreiben und der Art der Sportaktivität

Die Passung zwischen einer Person und einer Sportaktivität kann anhand dreier Möglichkeiten hergestellt werden:

1) Eine individuelle Bewegungs- und Sportberatung durchführen

Basierend auf den individuellen Voraussetzungen, wie zum Beispiel den Motiven oder auch den körperlich-motorischen Fähigkeiten einer Person, können in einer individuellen Bewegungs- und Sportberatung konkrete Sportaktivitäten und Sportangebote gemeinsam mit der zu beratenden Person erarbeitet und deren Umsetzung in den Alltag diskutiert werden. Dabei wird der COMET-Ansatz (Schmid et al., 2020: https://doi.org/10.1026/1612-5010/a000309) als Beratungsgrundlage angewendet.

2) Bestehende Sportangebote anpassen und/oder erweitern

Eine weitere Möglichkeit ist, ein bestehendes Angebot anzupassen, wenn gewisse individuelle Voraussetzungen, z. B. wichtige Motive und Ziele, zu wenig berücksichtigt werden.

Beispiel: Für Personen des Sporttyps "figurbewusste Gesellige" sind vor allem die beiden Motive und Ziele Fitness und Kontakt zentral. Entsprechend könnten bestehende Fitnessangebote angepasst werden, indem z. B. mehr Partner- oder Gruppenübungen durchgeführt und positive Gruppenerlebnisse gefördert werden.

3) Massgeschneiderte Sportangebote entwickeln

Basierend auf dem jeweiligen motivbasierten Sporttyp können massgeschneiderte Angebote konzipiert werden. Dabei werden insbesondere die wichtigsten Motive und Ziele bei der Konzipierung eines Sportangebots berücksichtigt.

Beispiel: Für den Sporttyp "Figurorientierte StressreguliererInnen" sind die folgenden Motive und Ziele besonders wichtig: Einerseits wird für die Fitness und aus Figur- oder Gewichtsgründen Sport getrieben. Dies liegt für die Mehrzahl der Personen in einem erhöhten Körpergewicht begründet. Andererseits sehen die figurorientierten StressreguliererInnen einen positiven Effekt des Sporttreibens darin, sich beim Sport „abzureagieren“ und einmal „Dampf ablassen“ zu können. Die meisten haben dabei den Wunsch, sich von Problemen abzulenken und Abstand vom Alltag zu gewinnen. Entsprechend könnte ein Sportangebot neu konzipiert werden, dass aus vielfältigen Fitnessaktivitäten besteht, wobei der Schwerpunkt bewusst auf die beiden Aspekte der Belastung und Entspannung gesetzt wird.

© Institut für Sportwissenschaft, Universität Bern